Terrorvorwurf gegen BND
Brisante Aussage im Luxemburger »Bombenleger«-Prozeß: Bundeswehr-Offizier soll im Auftrag der NATO Attentate organisiert haben
Von Peter Wolter, Luxemburg *
Die Luxemburger Staatsanwaltschaft setzt zusätzliche Kriminalbeamte ein,
um den Aussagen des Duisburger Historikers Andreas Kramer nachzugehen,
sein 2012 verstorbener Vater habe zwischen 1984 und 1986 in Luxemburg 18
Sprengstoffattentate organisiert. Unter Eid hatte Kramer am Dienstag
und Mittwoch im »Bombenleger«-Prozeß vor der Kriminalkammer des Landes
ausgesagt, der Ex-Bundeswehrhauptmann habe für den
Bundesnachrichtendienst (BND) gearbeitet. Er habe in Deutschland die
Untergrundarmee der NATO (»stay-behind«) geleitet und sei auch für die
Attentate auf das Münchner Oktoberfest und den Bahnhof von Bologna
(beide 1980) verantwortlich gewesen.
An den Attentaten in Luxemburg war laut Kramer neben dem Geheimdienst
des Landes und dem BND der britische MI 6 beteiligt. Bis 1986 habe die
NATO die Strategie verfolgt, mit Hilfe ihrer Geheimarmeen
Terroranschläge zu verüben, um sie linken Gruppen in die Schuhe zu
schieben und so einen politischen Rechtsruck zu befördern. Die
Beteiligung der NATO an derartigen Anschlägen war Anfang der 90er Jahre
u.a. durch Parlamentsausschüsse in Belgien und Italien nachgewiesen
worden. Deutsche Medien hatten das Thema kaum aufgegriffen.
Die 18 Anschläge in Luxemburg galten vor allem Strommasten des
Energieversorgers Cegedel. In Bekennerschreiben forderten die Täter
Geld – alle vereinbarten Übergaben scheiterten jedoch. Schon damals war
vermutet worden, daß die Forderungen nur zur Täuschung erhoben wurden.
Es fiel auch auf, daß die Täter über die Fahndungen der Polizei
informiert waren.
Angeklagt sind die ehemaligen Angehörigen der »Bridgade Mobil de la
Gendarmerie«, Marc Scheer und Jos Wilmes, gegen die schon seit Jahren
ermittelt wurde. Kramer sagte aus, er habe seinen Vater 2009 auf diese
Namen angesprochen, der habe sie als Beteiligte jedoch ausgeschlossen.
Mindestens drei der acht Erpresserbriefe habe sein Vater selbst
geschrieben. Das Gericht ließ Kramer noch in einer Sitzungspause eine
DNA-Probe abnehmen, um zu prüfen, ob er mit dem Briefeschreiber verwandt
ist. Eine wichtige Enthüllung machte Gaston Vogel, Verteidiger der
Angeklagten: Er legte Dokumente vor, die beweisen, daß der damalige
luxemburgische Premierminister Jacques Santer von »Stay-behind«-Aktionen
wußte.
»Herr Kramer ist viel zu wichtig, als daß wir das hier so abhaken
könnten«, begründete Staatsanwalt Georges Oswald am Mittwoch seinen
Antrag auf zusätzliche Untersuchungen der Kriminalpolizei. Es gebe
Widersprüche und Kramers Mitteilungsfreude werfe viele Fragen auf. In
der Luxemburger Presse waren Vermutungen aufgetaucht, Kramer sei ein
Hochstapler.
Zu seinem persönlichen Hintergrund sagte Kramer, sein Vater habe von
Anfang an versucht, ihn in die Aktivitäten von »stay behind« – auch als
»Gladio« bekannt – einzubeziehen. Er habe kaum Namen genannt, ihn aber
weitgehend auf dem laufenden gehalten. Daß er seinen eigenen Sohn
rekrutiert habe, erkläre sich dadurch, daß er ihn so optimal unter
Kontrolle habe halten können. Darüber hinaus habe er gedroht, ihn
umzubringen, falls er etwas ausplaudere. »Ich habe das sehr ernst
genommen«, sagte Kramer in einer Prozeßpause zu jW. »Er war buchstäblich
ein Rechtsextremist, ein Terrorist und Mörder, der über Leichen ging.
Jetzt, wo er tot ist, fühle ich mich wie befreit – ich kann endlich über
diese Machenschaften sprechen.«
* Aus: junge Welt, Freitag, 12. April 2013
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