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Donnerstag, 6. September 2012

"Brüssel ist die zweite Hauptstadt des Lobbyismus"

Buch beleuchtet Einflussnahme auf die Politik

"Brüssel ist die zweite Hauptstadt des Lobbyismus"

Lobbyisten haben vor allem eines im Sinn: Sie wollen die Politik zu ihren Gunsten beeinflussen. Nicht verwunderlich also, dass sich die Interessensvertreter auch am Sitz der EU in Brüssel tummeln. Wie weit ihr Einfluss reicht und wie sie vorgehen, erklärt die Aktivistin Nina Katzemich vom Verein "LobbyControl" im Interview mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Sie haben am Buch "LobbyPlanet" mitgearbeitet, das das Geschehen in Brüssel beleuchtet. Warum haben Sie sich ausgerechnet auf diese Stadt konzentriert?
Nina Katzemich: Brüssel ist nach Washington die zweite Hauptstadt des Lobbyismus. Dort werden 80 Prozent der europäischen Gesetze gemacht, und deshalb gehen die Lobbyisten vorzugsweise nach Brüssel.

Zur Person

Sendungsbild
Nina Katzemich hat in München und Berlin Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre studiert. Sie unterstützte ein Jahr lang das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin beim Aufbau. Von 2003 bis 2008 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Irmingard Schewe-Gerigk, Parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin der Frauen- und Rentenpolitik der Fraktion Die Grünen. Seit Mai 2009 widmet sich Katzemich insbesondere dem Thema Lobbyismus in Brüssel.
 
tagesschau.de: Sie sprechen in ihrem Buch von typischen Werkzeugen der EU-Lobbyisten. Wie sehen die denn aus?
Katzemich: Zunächst einmal eröffnet man ein Büro in Brüssel, dann baut man gute Kontakte zu Kommissaren, also zur Kommission auf. Im Idealfall schafft man es noch als Fachmann in eine der 1000 Expertengruppen, denn in Brüssel Experte zu sein ist hervorragend. Es gibt zu wenig Personal - deshalb ist man auf Expertise von außen angewiesen. Und wenn man dann bei Gesetzen, die einen selber betreffen, mitreden kann, dann hat man natürlich schon die Hälfte erreicht.
Es gibt aber auch sehr fragwürdige Methoden: So werden beispielsweise Lobby-Agenturen gemietet, die andere dafür bezahlen, für das Unternehmen eine Nachricht nach vorne zu bringen. Und die Bürgerinnen und Bürger wissen dann überhaupt nicht mehr, von wem die Nachricht eigentlich kommt.
tagesschau.de: Wer sind denn die mächtigsten Player in Brüssel?
Katzemich: Es gibt zahlreiche. Generell sind vor allem Großkonzerne in Brüssel sehr mächtig - viel zu mächtig. Aktuelle Beispiele sind die Autoindustrie, aber auch die Energieindustrie und die Finanzindustrie.
tagesschau.de: Wer hat denn den größten Einfluss?
Katzemich: Es wechselt natürlich, aber es gilt: Die Branchen, die sehr viele Arbeitsplätze zu bieten haben und damit drohen können, aus Europa wegzugehen, die haben auch den größten Einfluss. Und da sind wir bei den drei Branchen, die ich eben genannt habe.
tagesschau.de: Gibt es denn eigentlich auch die Guten bei den Lobbyisten?
Katzemich: Wir wollen nicht zwischen den Guten und den Schlechten trennen. Wir sagen, es gibt eine Dominanz von denen mit den großen Lobby-Budgets, und die ist wirklich eklatant in Brüssel. Die Guten wären wenn dann wahrscheinlich die, von denen wir sagen, sie vertreten ein öffentliches Interesse und kein eigenes. Natürlich geht es den Unternehmen auch darum, Arbeitsplätze zu sichern, aber das ist ja nicht alles. Es ist eben so, dass die mit den größten Lobby-Budgets die größte Macht haben.
tagesschau.de: Mit welchem Ziel haben Sie denn den "LobbyPlanet" geschrieben?
Katzemich: Wir haben den "LobbyPlanet" geschrieben, um eine breite Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen. Wenn man Studien oder Berichte herausgibt, dann liest das ein kleiner Teil. Wir möchten aber auch Touristen auf das Thema Lobbyismus aufmerksam machen.
Das Interview führte Kirsten Gerhard, tagesschau24

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