Studie der Otto-Brenner-Stiftung
Knapp drei Monate ist es her, dass Christian Wulff mit seinem
Rücktritt als Bundespräsident den politischen Schlussstrich unter eine
Affäre setzte, die wahlweise als "Wulff"-, Kredit"-, "Mailbox"- oder
"Medien-Affäre" wochenlang die Schlagzeilen beherrschte. Doch wer den
Wirbel um Wulff aufarbeiten will, kommt an der "Bild"-Zeitung nicht
vorbei. Unter dem Titel "Bild und Wulff - ziemlich beste Partner" hat
jetzt die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie veröffentlicht - mit zum
Teil überraschenden Ergebnissen.
"Bild" und Wulff: eine Geschäftsbeziehung
Die übliche Darstellung der Mailbox-Affäre als Angriff auf die
Pressefreiheit sei oberflächlich und irreführend, kritisieren die beiden
Autoren Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz. Auf der Basis von 1528
Meldungen des Online-Archivs von "bild.de", in denen Wulff zwischen den
Jahren 2006 und 2012 thematisiert wird, kommen die Autoren zu folgendem
Befund: Wulff habe davon ausgehen können und müssen, dass zwischen ihm
und "Bild" keine Beziehung zwischen Politiker und Journalisten herrsche,
sondern vielmehr eine seit vielen Jahren erprobte Geschäftsbeziehung
zur Produktion von Aufmerksamkeit zu beiderseitigem Vorteil bestanden
habe, die "Bild" einseitig und zum Schaden Wulffs aufgekündigt habe.
In der dritten, der Wirbel-um-Wulff-Phase ab dem 13. Dezember 2011, habe "Bild" mit mehr Distanz und mehr Vernunft berichtet als andere Medien, denn sie wäre - nach Einschätzung der Autoren - völlig unglaubwürdig geworden, hätte sie Wulff "aus dem Himmel direkt in die Hölle" geschickt. "Bild" habe mit gespielter Distanz so berichtet, als würde sie das Thema nur forcieren, weil andere Medien es ständig aufgriffen. Journalismus als Notwehr sei die Formel, mit der sich das Verhalten von "Bild" in diesen Wochen überschreiben ließe.
Die generelle Strategie der "Bild"-Redaktion sei im Fall Wulff perfekt aufgegangen: Höchstmögliche öffentliche Aufmerksamkeit so zu erregen, dass "Bild" selbst dabei am besten und prominentesten wegkommt.
Die Otto-Brenner-Stifung ist die Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat bereits eine weitere "Bild"-Studie veröffentlicht: Im Vorjahr analysierten die Autoren Arlt und Storz die "Bild"-Darstellung der Griechenland- und Eurokrise. Außerdem gibt es Studien zum Lobbying und zu politischen Talkshows.
Keine Wulff-Affäre ohne "Bild"
Jahrelang erprobte Geschäftsbeziehung
Drei Phasen der Berichterstattung
Die Studie unterscheidet bei ihrer Analyse drei Zeiträume: In der Jubel-Phase habe "Bild" Wulff in allen Lebenslagen glorifiziert. Während der Wechseltage im Dezember 2011 sei "Bild" eine Getriebene gewesen, die sich aus dieser Lage nur habe befreien können, "indem sie sich selbst als Treiber profiliert". Wörtlich heißt es in der Studie: "Die Zeitung steht in diesen Dezembertagen vor der Wahl, andere Medien aufdecken zu lassen, dass sie einen moralisch zweifelhaften Politiker über Jahre hinweg als Symbolfigur der Integrität und der Moralität hochgeschrieben hat - oder selbst als erste die Kreditaffäre zu veröffentlichen."In der dritten, der Wirbel-um-Wulff-Phase ab dem 13. Dezember 2011, habe "Bild" mit mehr Distanz und mehr Vernunft berichtet als andere Medien, denn sie wäre - nach Einschätzung der Autoren - völlig unglaubwürdig geworden, hätte sie Wulff "aus dem Himmel direkt in die Hölle" geschickt. "Bild" habe mit gespielter Distanz so berichtet, als würde sie das Thema nur forcieren, weil andere Medien es ständig aufgriffen. Journalismus als Notwehr sei die Formel, mit der sich das Verhalten von "Bild" in diesen Wochen überschreiben ließe.
Raffinesse der Inszenierung
Die Autoren kommen zu dem Schluss: Die Raffinesse der Inszenierung, mit der "Bild" im Fall Wulff agiert habe, suche ihresgleichen. Faktisch hätten die anderen Medien den "Bild"-Karren aus dem Dreck gezogen, indem sie den Mailbox-Anruf zu einem Angriff auf die Pressefreiheit hochgeschrieben hätten. In der öffentlichen Wahrnehmung der Wulff-Affäre bleibe dieser entscheidende Aspekt ausgeblendet, betonen die beiden Autoren: "Genau in der Zeit, in der Christian Wulff geschnorrt, möglicherweise das Parlament getäuscht und gegen das Ministergesetz verstoßen hat, hat 'Bild' ihn in einer Endlosschleife als den wunderbarsten Menschen und erfolgreichsten Politiker gepriesen."Die generelle Strategie der "Bild"-Redaktion sei im Fall Wulff perfekt aufgegangen: Höchstmögliche öffentliche Aufmerksamkeit so zu erregen, dass "Bild" selbst dabei am besten und prominentesten wegkommt.
Die Otto-Brenner-Stifung ist die Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat bereits eine weitere "Bild"-Studie veröffentlicht: Im Vorjahr analysierten die Autoren Arlt und Storz die "Bild"-Darstellung der Griechenland- und Eurokrise. Außerdem gibt es Studien zum Lobbying und zu politischen Talkshows.
Dossier: Bundespräsident Wulff gibt auf
Link zur OBS-Studie "Bild und Wulff - ziemlich beste Partner"
Stand: 07.05.2012 15:40 Uhr